Das Hamburger Derby – ein aktueller Stand der Fassungslosigkeit

Am 14. Oktober 2022 entschied der FC St. Pauli das Hamburger Stadtderby für sich. Neben dem sportlichen Erfolg gegen den Rivalen aus Stellingen sorgte insbesondere das polizeiliche Auftreten an diesem Tag für teils europaweite Aufmerksamkeit. Über das zu beobachtende Ausmaß von Polizeigewalt zeigten sich viele Fans und Zeug:innen erschrocken.

Nun steht fest, ganze drei Ermittlungsverfahren wurden gegen Polizist:innen eingeleitet. Nur ein Einziges(!) davon gemäß § 340 StGB Körperverletzung im Amt. Die Vorwürfe richten sich dabei gegen einen Polizisten der Bundespolizei aus Blumberg, ob das (Ermittlungs)Verfahren noch läuft, ist unklar, denn „Angelegenheiten der Bundespolizei im Zusammenhang mit Parlamentarischen Anfragen eines Landesparlaments [erhalten] keine Beantwortung“.

Dass die Hamburger Polizei jedoch grundsätzlich dazu im Stande und insbesondere willens ist, Ermittlungen im Rahmen des Hamburger Derbys einzuleiten, zeigt die gestiegene Anzahl an Ermittlungsverfahren gegenüber Fußballfans – von 66 (Stand: 25.10.2022) auf 117 (Stand: 13.12.2022). Umso offensichtlicher zeigt sich hier das polizeiliche Defizit, eigenes Fehlverhalten auch strafrechtlich zu verfolgen. Es bedarf, wie in anderen europäischen Ländern, einer unabhängige Polizeibeschwerdestelle mit Ermittlungskompetenz!

Neben der judikativen scheint sich die Hamburger Polizei auch der legislativen Kontrolle entziehen zu wollen. Konkrete Anfragen wie „Trifft es zu, dass die Fans des FC St. Pauli bereits vor dem Polizeieinsatz vor der Gegengerade auf dem Rückzug waren?“ werden mit Formulierungen „siehe Vorbemerkung“ abgespeist. Bei anderen heißt es wiederum, „aus grundsätzlichen Erwägungen [würden] keine Angaben gemacht“ werden. Eine demokratische Kontrolle polizeilichen Handelns im Sinne der Bürger:innen ist so mindestens erschwert, wenn nicht sogar verunmöglicht.

Anstatt professionell die eigenen Fehler einzugestehen, Polizeigewalt offen als solche zu benennen und entsprechend konsequent zu ermitteln, scheint es, als wolle die Hamburger Polizei vielmehr das ‚Feindbild‘ Fußballfan inszenieren. Ein ‚Feindbild‘, das Teile der (Hamburger) Medien durch ihre personifizierte und tendenziöse Berichterstattung noch förderten. Als Grundlage dienten ihnen hierfür personenbezogene Daten eines von Polizeigewalt betroffenen Fans. Doch woher stammen diese Informationen?

In der Schriflich Kleine Anfrage von Deniz Celik (Die Linke) heißt es: „Wie viele Personen haben die Daten des Betroffenen der Polizeigewalt im polizeilichen Vorgangsverarbeitungssystem beziehungsweise Datenbanken aufgerufen?“. Darauf antwortete die Polizei Hamburg, es habe lediglich „einen Polizeibediensteten gegeben“.

Diese Aussage musste sie jedoch gegenüber dem Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit revidieren. Aus der durch die Braun-Weisse Hilfe initiierten Anfrage geht hervor, dass „unterschiedliche Bedienstete der Polizei Hamburg den Betroffenen abgefragt“ hätten. Folgerichtig kämen auch „damit verschiedene Personen für eine Weitergabe in Frage“, denn die Pressestelle der Polizei Hamburg selbst habe keine vollständigen personenbezogenen Daten an Medienvertreter:innen weitergegeben! Der Aufarbeitungsprozess seitens des HmbBfDI ist jedoch noch nicht abgeschlossen.

Auffällig scheint jedoch, dass die Polizei Hamburg wenig an einer Aufklärung des Sachverhalts interessiert ist. So entsteht der Eindruck es bedürfe nur dem Einblick möglichst vieler Beamt:innen, um eine potentielle unrechtmäßige Datenweitergabe zu ermöglichen. Wie eben eine solche Weitergabe zukünftig verhindert werden könnte, scheint völlig unklar. Bleibt zu hoffen, dass es dem Hamburgischen Datenschutzbeauftragten gelingt, sich wie angekündigt persönlich „ein eigenes Bild zu machen“. Wir drücken die Daumen.

Die Braun-Weisse Hilfe fordert daher von der Polizei Hamburg eine kritische Aufarbeitung der geschilderten Ereignisse und eine öffentliche Entschuldigung bei der betroffenen Person. Polizeigewalt muss als solche klar benannt und aufgearbeitet werden. Sie wird als solche nicht ungeschehen, nur weil man medial Einzelne diskreditiert.

Sankt Pauli hält zusammen!

Braun-Weisse Hilfe | Januar 2023

*Die jeweiligen „Schriftlich Kleinen Anfragen“ können per Link im Text abgerufen werden. Eine über die Zitate hinausgehende Veröffentlichung der Konversation mit dem HmbBfDI ist nicht vorgesehen.