Rassistische Kontrollen durch die Polizei gegen St. Pauli-Fans? Ja. Uns liegen mehrere Berichte betroffener Personen vor.

HOW IT STARTED

Nach Angaben der Betroffenen begannen die Kontrollen im Juli 2022 bei einem Auswärtsspiel in Hannover. Dort wurden mehrere Personen nach individueller Anreise ohne nähere Begründung seitens der Polizei kontrolliert, als sie gerade auf dem Weg zum Treffpunkt der St. Paulianer*innen waren.

Obwohl es im Vorfeld keinen Anlass für eine Kontrolle gegeben hatte, wurde eine Person in Gewahrsam genommen und bis Spielende festgehalten. Dieselbe Polizeieinheit, die für die anlasslosen Kontrollen außerhalb des Stadions verantwortlich war, wurden von den Betroffenen erneut im Einlassbereich des Niedersachsenstadions angetroffen. Die aus Thüringen stammenden Polizist*innen versuchten an dieser Stelle erneut, die Betroffenen einzuschüchtern und mit nonverbalen Gesten zu provozieren – ohne Erfolg.

Im April 2023 kam es zu einer weiteren Kontrolle – diesmal im Hamburger Volkspark. Die hier eingesetzten Polizist*innen nahmen unmittelbar Bezug auf die Situation in Hannover. Eine betroffene Person berichtet, dass ihre Personalien aufgenommen wurden. Es wurden außerdem Lichtbilder angefertigt.

Bei einem Auswärtsspiel im September 2023 in Braunschweig kam es zum nächsten (Kontroll-)Versuch. Betroffen waren zwei weitere Personen aus derselben Gruppe. Zuletzt positionierte sich die Polizei beim Auswärtsspiel auf Schalke direkt neben der Gruppe im Stadion. Die Beamten beobachteten und filmten die betroffenen Personen während der gesamten Spielzeit – auch hier ohne konkreten Anlass.

In allen dargestellten Fällen war eine Gruppe betroffen, deren Mitglieder eine zugeschriebene Migrationsgeschichte teilen. Der Fanhilfe liegen außerdem Schilderungen weiterer betroffener Personen vor. Die durchgeführten polizeilichen Maßnahmen basieren mit hoher Wahrscheinlichkeit auch hier auf der Zuschreibung des vermeintlich “Fremden”. Die Braun-Weiße-Hilfe hat aus diesem Anlass mit Philipp Krüger von Amnesty International – Polizei über sogenanntes Racial Profiling gesprochen.

 

DIE POLIZEI DARF DAS DOCH, ODER?

Unter dem Begriff Racial Profiling versteht die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) “die ohne objektive und vernünftige Begründung erfolgende polizeiliche Berücksichtigung von Merkmalen wie Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit oder nationale oder ethnische Herkunft im Rahmen von Kontrollen, Überwachungen oder Ermittlungen” (ECRI 2007: 4).

Laut Krüger betrifft “Racial Profiling […] in Deutschland regelmäßig Menschen, die aus Sicht der Polizei als fremd wahrgenommen werden, sprich, Menschen, die nicht Weiß sind”. Dabei handelt es sich keinesfalls um Einzelfälle. Dem Sprecher* von Amnesty International – Polizei zufolge gibt es „bereits erste Erhebungen, die zeigen, dass Racial Profiling in erheblichem Maße auch in Deutschland existiert“. Inzwischen lägen „diverse Entscheidungen von Verwaltungsgerichten [vor], die diese Sachverhalte bestätigt“ hätten. Allerdings gebe es „insgesamt […] zu dem Thema in Deutschland […] zu wenig Forschung“.

Die Polizei behaupte zwar, dass diese Ermittlungspraxis “vorgeblich besonders effektiv sei, weil sie aufgrund vermeintlicher kriminalistischer Erfahrung Menschen in den Fokus nimmt, die als besonders kriminalitätsbelastet gelten”.Allerdings zeigten “die eigenen Statistiken der Polizei, dass dies ein Trugschluss” sei. In Wahrheit sei “nicht einmal jede tausendste Kontrolle ein Erfolg”, welche auf Grundlage des §22 Abs. 1a BPolG -zur Verhinderung oder Unterbindung der unerlaubten Einreise durchgeführt werde.

Racial Profiling ist somit nicht nur diskriminierende Praxis, sondern auch zugleich noch ein polizeilich ineffektives Handlungsmittel – folgerichtig wäre es, diese Praxis sofort zu stoppen!

 

RACIAL PROFILING BEENDEN!

Auf Grundlage der durch die Bundesrepublik ratifizierten und somit gesetzlich verpflichtenden Antirassismuskonvention (ICERD) sowie der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und der europäischen Grundrechtecharta (GRC) ergibt sich ein klar definiertes Diskriminierungsverbot! Die Normen für polizeiliches Handeln sind eindeutig definiert und nicht beliebig.

Wir fordern die Polizei(en) deshalb dazu auf, sich an die vorgeschriebenen gesetzlichen Grundlagen zu halten und die rassistischen Kontrollen, auch im Zusammenhang mit Fußballspielen, sofort zu beenden!

Dieses liegt nicht nur im Interesse der Betroffen, sondern auch im Interesse der Polizei(en) selbst. „Denn Racial Profiling zerstört Vertrauen, auf das die Polizei bei ihrer Arbeit zentral angewiesen ist“ – Philipp Krüger.

Love football – hate racism! Racial Profiling stoppen!

Braun-Weisse Hilfe & Azadi St. Pauli | April 2024